Inhaltsverzeichnis
Medien und Digitalität
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Sterbehilfe im Film

Vorstellung ausgewählter Beispiele

Einige Filme sollen eingehender betrachtet werden, um die genannten Schwerpunkt-Aspekte auszudifferenzieren, sowie nach Möglichkeiten der Arbeit mit diesen Filmen zu fragen. Im Mittelpunkt aller ausgewählten, nachfolgend betrachteten Filme steht die Frage nach dem menschenwürdigen Sterben. Diese Frage ist eng verbunden mit einer Bewertung des Problems des „assistierten Suizids“. Eine unheilbare Krankheit oder eine starke Einschränkung der Lebensqualität , kann als Grund gesehen werden, das Leben vorzeitig zu beenden.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, hat durch die Feststellung, der § 217 StGB sei in dieser Form nicht verfassungsgemäß, den Weg für eine neue, eventuell liberalere Regelung frei gemacht. Mit Ausnahme des Kurzfilm- beispiels liegt daher der themati- sche Schwerpunkt im Folgenden auf dem Aspekt der Sterbehilfe durch assistierten Suizid. Einige Filme thematisieren die bereits in den deutschen Nachbarländern Niederlanden, Belgien oder der Schweiz bestehenden Möglichkeiten der organisierten Sterbehilfe.

Kurzfilmbeispiel

ERLÖSUNG (MP)

Kurzspielfilm - Eduardo Chapero- Jackson - Spanien 2007 Laufzeit: 16 Minuten Empfohlen: ab 16 Jahren - Lehrprogramm gemäß § 14 JuSchG DVD Verleihnummer: 4701011

Eine Familie versammelt sich am Sterbebett der Mutter. Im Angesicht des herannahenden Todes geht jedes der erwachsenen Kinder anders mit der Angst vor dem Verlust um: Der älteste Bruder, ein Mediziner, hofft, die Medikamente könnten ein Wunder bewirken; die jüngere Schwester möchte die Tatsachen verdrängen. Schließlich ist die Schwiegertochter diejenige, die, geleitet von Mitgefühl für die leidende Frau, dieser liebevoll auf den letzten Weg helfen kann. (Text MP*) *MP = Medienportal www.medienzentralen.de

Im Kurzfilmbeispiel ERLÖSUNG steht nicht der „assistierte Suizid“, sondern das Sterbenlassen, im weitesten Sinne die „passive Sterbehilfe“, verdeutlicht an einem individuellen Schicksal im Mittelpunkt. Der Film ist ein empfehlenswerter Einstieg in die Thematik.

Der natürliche Sterbeprozess ist nicht frei von der Frage nach einem menschenwürdigen Sterben und wirft zudem Fragen nach der angemessenen Form der Sterbebegleitung und der medizinischen Versorgung auf. Während in ERLÖ- SUNG die leiblichen Kinder der sterbenden Mutter jede nur erdenkliche medizinische Hilfe zukommen lassen wollen und Schwierigkeiten damit haben, endgültig Abschied zu nehmen, entschließt sich die Schwiegertochter, die künstliche Beatmung zu entfernen und der mit dem Tod ringenden Frau auf diese Weise das Sterben zu ermöglichen.

Die Verhaltensweisen aller im Kurzfilm dargestellten Personen lassen sich nicht einfach nach dem Schema richtig oder falsch einordnen, sondern sind nur aus den emotionalen Bindungen und den je individuellen Möglichkeiten, den richtigen Zeitpunkt für eine Handlung oder Unterlassung zu wählen, zu verstehen.

In der Arbeitshilfe zum Film, herausgegeben vom Katholischen Filmwerk (kfw) weist der Autor Franz Günther Weyrich auf die Mehrdeutigkeit des Originaltitels ALUMBRAMIENTO hin, der im Spanischen sowohl „Beleuchtung“, also „hell werden“, wie auch „ins Licht/ins Leben kommen“ heißen kann. Der Titel deutet darauf hin, dass nicht nur die Sterbende in einen Prozess eingebunden ist, sondern auch die Angehörigen durchlaufen eine Entwicklung, auf je individuelle Art und Weise. Es lohnt sich zu beobachten, welche Haltungen die einzelnen Figuren repräsentieren und inwiefern die Figuren bzw. die Haltungen im Laufe des Films eine Entwicklung durchlaufen. In diesem Zusammenhang ist auch der Begriff der Würde bzw. des Sterbens in Würde zu thematisieren.

Spielfilmbeispiele

GOTT (MP)

Spielfilm - Lars Kraume - Deutschland 2020; 90 Minuten;mEmpfohlen: ab 14 Jahren - FSK ab 12 freigegeben; DVD Verleihnummer: 4801534

Der Fernsehfilm basiert auf dem gleichnamigen Theaterstück „GOTT“ von Ferdinand von Schirach. In einem fiktionalen Ethikrat wird über die Fragen „Wem gehört unser Leben? Und wer entscheidet über unseren Tod?“ diskutiert. Es geht um den Fall eines 78- jährigen, kerngesunden Mannes, der sein Leben durch ein Medikament und mit Hilfe seiner Ärztin beenden will. Gemeinsam mit einem Anwalt vertritt er seine Interessen während einer Ethikrat-Sitzung.Weiterhin argumentieren eine Mitarbeiterin des Ethikrates, ein hochrangiger Ärztevertreter sowie ein katholischer Bischof contra Suizidassistenz. Eine Hausärztin sowie eine rechtliche Sachverständige werden gehört. (Text MP) Neben dem Film sind Lernmaterialien und Arbeitshilfen verfügbar und deren Nutzung empfohlen.

Der Fernsehfilm GOTT bietet durch die Inszenierung einer fiktionalen Sitzung des deutschen Ethikrates die Möglichkeit, verschiedene Positionen durch Sachverständige darzubieten, auch die betroffene, sterbewillige Person („Herr Gärtner") erhält die Gelegenheit, die eigene Position zu vertreten und anschließend durch einen Anwalt („Biegler“) weiter in die Diskussion eingreifen zu können. Die Dramaturgie (Auftreten von Sachverständigen als "Zeugen", Anwälte als "Verteidiger" und "Ankläger" und einer Vorsitzenden) lässt die Sitzung als Gerichtsverhandlung erscheinen, auch wenn immer wieder betont wird, dass es sich nicht um eine solche handle. Insbesondere Lars Eidinger als Rechtsanwalt Biegler bekommt (wortwörtlich) viel Spielraum, um seine Ansichten und Analysen vorzutragen und bedrängt die Sach- verständigen (insbesondere den Vertreter der Bundesärztekammer und den kath. Bischof) in Form eines Kreuzverhörs. Die Darstellung ist durch diese Art der Inszenierung nur scheinbar objektiv und verfolgt dramaturgisch die Tendenz, das Selbstbestimmungsrecht des Sterbewilligen über alle anderen Werte zu stellen. Diese Tendenz wird noch dadurch verstärkt, dass die Stellungnahmen der Sachverständigen zwar der Realität entnommen, in ihren Argumentationen aber stark verkürzt wiedergegeben werden.

Die Komplexität der Frage nach assistiertem Suizid wird nur gestreift und zwischenzeitlich auch ganz verlassen. Zuletzt spitzt Anwalt Biegler die "Verhandlung" auf die Frage zu "Wem gehört unser Leben?" (auf die Herrschaft über das Leben verweist auch der provokante Titel „Gott“), obwohl dies nicht die anfangs diskutierte Frage ist.

Diskutiert wurde im Ethiktrat, ob es ein Recht auf Assistenz beim Suizid gibt und wer diese Assistenz leisten darf. Auch in den Ländern, in denen Sterbehilfe in Form des assistierten Suizids gesetzlich positiv geregelt ist, (z.B. Niederlande, Belgien, Schweiz) sind ja Bedingungen an diese Form der Selbsttötung geknüpft, und ein kerngesunder Mensch wie Herr Gärtner erfüllt diese Bedingungen nicht.

Um es noch einmal einfacher zu sagen: Dass Herrn Gärtner sein Leben gehört und er jederzeit sich selbst töten könnte, steht gar nicht zur Diskussion, sondern diskutiert wird, ob und unter welchen Bedingungen andere Menschen Herrn Gärtner dabei helfen dürfen, sich selbst zu töten. Dazu gehört z.B auch die Verfügbarkeit entsprechender (tödlicher) Medikamente, wie sie von Sterbehilfeorganisationen verwendet werden.

DAS MEER IN MIR (MP)

Spielfilm - Alejandro Amenábar - Spanien 2004 Laufzeit: 126 Minuten Empfohlen: ab 14 Jahren - FSK ab 12 freigegeben; DVD Verleihnummer: 4800174

Seit einem Badeunfall ist Ramon vom Kopf ab vollständig gelähmt. Er liegt nahezu bewegungslos in seinem Bett und hängt von der Für- sorge seiner Familie ab. Es wächst der Wunsch in ihm, dem Leben ein Ende zu setzen. Der Film beruht auf der erschütternden Lebensgeschichte von Ramón Sampedro und seinem langen Kampf um einen menschenwürdigen Tod. 25 Jahre lang versuchte er vergeblich, eine Sterbehilfe für ihn bei Gericht durchzusetzen. Ramon nahm sich mit Hilfe einer Freundin das Leben. Obwohl der Regisseur dafür plädiert, dass es jedem Menschen zu- steht, über sein Leben und seinen Tod frei zu entscheiden, formuliert der Film ernsthafte Gegenpositionen zur Euthanasie. (Text MP). Der Bezug von DAS MEER IN MIR auf den tatsächlichen Einzelfall des galizischen Seemanns Ramó Sampedro (1943–1998), der als Querschnittgelähmter mehr als zwei Jahrzehnte vor Gericht die aktive Sterbehilfe zu erstreiten suchte, ist Vorteil und Nachteil zugleich.

Vorteilhaft ist, dass reale Personen zu sehen sind und die Umstände des Sterbewilligen nicht fiktional konstruiert, sondern der Realität entnommen wurden. Nachteilig wirkt sich der Realitätsbezug aus, wenn bestimmte Aspekte nicht behandelt werden, die für eine gesetzliche Regelung gleichwohl von Bedeutung sind, z.B. die freie Willensbekundung (die bei Sampedro niemals fraglich war), das Vorliegen unerträglichen Leidens (was bei Sampedro bestenfalls psychisch angenommen werden kann) oder der nahe bevorstehende Tod (was bei Sampedro definitiv nicht der Fall war).

Die Realität bringt es auch mit sich, dass keine klare Unterscheidung zwischen aktiver Sterbehilfe und assistiertem Suizid in Sampedros Fall möglich ist. Durch seine vollständige Lähmung war Ramón Sampedro auf Hilfe von Dritten beim Sterben angewiesen. Durch die über Jahre auch öffentlich vorgetragene Willensäußerung, Sterben zu wollen, und die Entschei- dung, die tödliche Giftmischung schließlich zu trinken, liegen alle Voraussetzungen für eine Einstufung als assistierter Suizid vor.

Gleichwohl ist die einzige „Tat“ Sampedros das Trinken der Giftmischung. Verschiedene Personen besorgten das notwendige Gift, mischten es zu einem Getränk und stellten es Sampedro mit Hilfe eines Strohhalms zum Trinken zur Verfügung. Ohne diese vorausgehenden Handlungen dritter Personen hätte Ramón Sampedro nicht sterben können, weil er körperlich dazu nicht in der Lage war.

Die Realität erweist sich in Bezug auf den Charakter und die Wirkung von Ramón Sampedro wiederum als Glücksfall. Denn Ramón wird als sehr charmanter und humorvoller Mensch dargestellt, der zwar unbeweglich ist, aber ansonsten nicht unter Schmerzen zu leiden hat. Die Menschen um ihn herum, allen voran seine Schwägerin Manuela, pflegen und kümmern sich um ihn mit großer Liebe. Er genießt die mediale Öffentlichkeit, seine Intelligenz wirkt auf viele Menschen anziehend und er feiert Erfolge als Buchautor mit dem Buch „Cartas desde el infierno“ (Briefe aus der Hölle), dessen Texte er mit dem Mund geschrieben hat.

DAS MEER IN MIR ist kein düsterer, deprimierender Film, sondern mit viel Humor und Lebensfreude wird das Porträt eines Mannes gezeichnet, der trotz zahlreicher positiver Erfahrungen seine Situation als nicht mehr lebenswert empfindet. In seinen Aussagen kommt zum Ausdruck, dass Ramón einen hohen Anspruch an Freiheit, Selbstbestimmung und Verwirklichung persönlichen Glücks hat.

Diesem Anspruch wird er in seinen eigenen Augen nicht gerecht. Seine direkten Angehörigen unterstützen seinen Sterbewunsch nicht, respektieren diesen aber – mit Ausnahme seines älteren Bruders José. Peter Hasenberg schreibt in der Arbeitshilfe des katholischen Filmwerks: „Die Kritik hat immer wieder hervorgehoben, dass die besondere Qualität des Films gerade darin liegt, dass er über den Tod spricht und gleichzeitig für das Leben plädiert."

Sicherlich ist DAS MEER IN MIR kein eindeutiges Plädoyer für (aktive) Sterbehilfe, aber den Zu- schauern fällt es leicht, Sympathie für den charismatischen Ramón zu empfinden und – zumindest emotional – seinen Standpunkt deshalb zu teilen. Zugleich feiert DAS MEER IN MIR die Vielfalt und Schönheit des Lebens und des menschlichen Miteinanders. Gerade auch dieser Aspekt macht den Film sehenswert.

kfw-Arbeitshilfe: www.materialserver.filmwerk.de/arbeitshilfen/dasmeerinmir_ah.pdf

ARTHUR & CLAIRE (MP)

Spielfilm - Miguel Alexandre - Deutschland 2017 Laufzeit: 95 Minuten Empfohlen: ab 14 Jahren FSK ab 12 freigegeben; DVD Verleihnummer: 4801423

Nach dem gleichnamigen Theaterstück von Stefan Vögel. ARTHUR & CLAIRE erzählt die Geschichte von zwei Menschen die mit der Absicht sich selbst zu töten nach Amsterdam gekommen sind. Beide haben ihre guten Gründe für ihren Suizid. Arthur will es, ganz legal, bei einem befreundetet Arzt in einem Krankenhaus tun. Claire hat sich Tabletten besorgt und will sich in der Badewanne die Pulsadern aufschneiden. Arthur verhindert die Selbsttötung von Claire. Beide Lebensmüden bilden eine Schicksalsgemeinschaft und verbringen eine Nacht zwischen Grachten, Coffee Shops und mit bestem Whiskey, um sich am nächsten Tag neu dem Leben zu stellen. (Text MP)

In ARTHUR & CLAIRE wird zum einen Sterbehilfe bzw. die Möglichkeit des assistierten Suizids thematisiert, zum anderen kreist der Großteil der Filmhandlung aber um die Frage nach dem Wert des Lebens und der Bedeutung von Beziehungen. Da es sich vom Genre her eher um eine Komödie mit dramatischen Anteilen handelt, ist die Geschichte sehr gut rezipierbar, hat aber, was die Tiefe der Auseinandersetzung mit den genannten Aspekten betrifft, auch schnell Grenzen erreicht. Zwar ist die Ausgangslage brisant – zwei Menschen suchen aus unterschiedlichen Gründen und auf verschiedene Art und Weise den Tod – aber der Verlauf der geschilderten Nacht ist dann eher harmlos, wenngleich sehr unterhaltsam erzählt.

ARTHUR & CLAIRE eignet sich als Beitrag, um dem Thema Tod, Sterben und Sterbehilfe die Schwere und (scheinbare) Ausweglosigkeit zu nehmen. Für eine Auseinandersetzung pro und contra Sterbehilfe oder eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem assistierten Suizid bietet der Film zu wenig Stoff. Die Qualität liegt auf dem Zugang zu Lebensperspektiven, die in größerer Vielfalt angesprochen werden.

Ein anderer Effekt ist der Abbau von Vorurteilen – ebenso wie bei Arthur und Claire selbst.

Eine Filmkritik: www.epd-film.de/ filmkritiken/arthur-claire

UND MORGEN MITTAG BIN ICH TOT (MP)

Spielfilm - Frederik Steiner - Deutschland 2013; Laufzeit: 102 Minuten; Empfohlen: ab 14 Jahren - FSK ab 12 freigegeben; DVD Verleihnummer: 4800938

Die 20-jährige Lea hat sich auf den Weg nach Zürich gemacht, um dort an ihrem Geburtstag zu sterben. Denn die unheilbare Mukoviszidose, unter der sie leidet, ist so weit fortgeschritten, dass ihr kein Arzt mehr helfen kann. Ihre Mutter, die bereits ihren Sohn an die Stoffwechselkrankheit verloren hat, wird von Leas Entschluss ebenso überrascht wie Leas Schwester Rita. Natürlich setzt sie alles daran, Lea umzustimmen, doch die ist ein Sturkopf und hat sich ihren Schritt sorgfältig überlegt. Auch die neue Bekanntschaft mit dem psychisch labilen Moritz, der ebenfalls gern sterben würde, oder der Besuch von Heiner, ihrer ersten Liebe, könne Lea nicht von ihrem Plan abbringen. Ein letztes Mal möchte sie im Kreis ihrer Lieben schön essen, von denen sie sich nur eines wünscht: Verständnis und Begleitung. (Text MP)

In UND MORGEN MITTAG BIN ICH TOT steht nicht nur Sterbehilfe in Form des „assistierten Suizids“ im Mittelpunkt, sondern die Hauptfigur ist eine junge Frau Anfang zwanzig. Ihre schlechte Prognose in Bezug auf die unheilbare Krankheit Mukoviszidose und die Erinnerung an die Art und Weise des Todes ihres wenig älteren Bruders, der an der gleichen Krankheit litt, haben Lea den einsamen Entschluss fassen lassen, sich mit einer Sterbehilfeorganisation in der Schweiz in Verbindung zu setzen. Hilfe bei der Durchführung des Vorhabens erhält Lea von ihrer Großmutter. Die Mutter und die Schwester von Lea werden hingegen von dem Entschluss überrascht, als Lea bereits in der Schweiz ist.

Durch diese Konstellation wird das Thema Sterbehilfe mitten in das Leben auch junger Menschen geholt. Sterben ist nicht nur eine Sache des Alters, sondern kennt viele Phasen und Zeitpunkte. Lea ist in ihrer (makaber) humorvollen und herzlichen Art auch als Charakter eine gute Identifikationsfigur für junge Menschen.

Ihr Sterbewunsch wird gespiegelt in der Figur des Moritz, eines aufgrund des Selbstmords seiner Mutter depressiven jungen Mannes, dem Lea in der Schweiz zufällig begegnet. Während sich für Moritz noch Wege aus dem Todeswunsch heraus zurück ins Leben eröffnen, erscheinen diese Wege für Lea verschlossen, zumal ihre medizinische Prognose ihr noch maximal einige Monate Lebenszeit zugesteht. Sicherlich ist in diesem Zusammenhang Leas bereits viel früher getroffene Entscheidung, sich nicht für eine Lungentransplantation auf eine Warteliste setzen zu lassen, noch einmal eigens zu betrachten. An dieser Entscheidung wird deutlich, dass die Auseinandersetzung mit Tod und Sterben sicher nicht punktuell, sondern langfristig erfolgt.

Das Drehbuch von UND MORGEN MITTAG BIN ICH TOT wirkt gegen Ende etwas konstruiert, da jede Figur eine eigene Funktion erhält:

Die abgeklärte Großmutter, die vorbehaltlos unterstützt; die pragmatische Schwester Rita, die zwar wütend, aber auch solidarisch ist; die Mutter Hannah, die aus Liebe und Lebenswillen nicht loslassen möchte und noch trauert; der Freund Heiner, der die Vernunft repräsentiert;

der depressive Moritz, der zeigt, dass nicht jeder, der sterben will, auch sterben muss und Hilfe auch dem Leben dienen sollte. Diese „Funktionalität“ der Figuren steht einer emotionalen Beteiligung der Zuschauenden aber nicht entgegen, da alle Darsteller, insbesondere die junge Hauptdarstellerin hervorragend spielen und den Widerstreit aus Trauer, Liebe und gegenseitiger Solidarität spürbar werden lassen.

UND MORGEN MITTAG BIN ICH TOT eignet sich sehr gut, einen emotionalen Zugang zum Thema Sterbehilfe bzw. assistiertem Suizid als einen Vorgang mitten im Leben zu erhalten. Das hohe Identifikationspotenzial mit den zentralen Figuren und ihren Haltungen sowie ein Drama, das stets Humor und positive Momente bereithält, bieten hervorragende Ansätze zur Auseinandersetzung mit dem schwierigen Thema, gerade auch für jüngere Menschen.

Dokumentarfilmbeispiel

STERBEHILFE

Dokumentarfilm - Steve Döschner / Michael Fiebrig / Franziska Ange- rer - Deutschland 2013; Laufzeit: 23 Minuten; Empfohlen: ab 16 Jahren - Lehrpro- gramm gemäß § 14 JuSchG; DVD Verleihnummer: 4701736

Der Film behandelt das Thema 'Sterbehilfe' am Beispiel einer Frau, deren Krankheit als tödlich diagnostiziert wurde. Sie hat sich deshalb entschlossen, von der Möglichkeit eines begleiteten Suizids Gebrauch zu machen, wie er von Organisationen in der Schweiz angeboten wird. Der Gang der Überlegungen, die diese Frau anstellt und konsequent bis zur Ausführung durchsetzt, wechselt sich im Film mit Interview-Blöcken ab. Befürwor- ter organisierter Sterbehilfe sowie Gegner beziehen Stellung. (Text MP)

Der Dokumentarfilm STERBEHILFE bietet in der kompakten Form aus Einzelfallschicksal (in Spielszenen) und inhaltlichen Beiträgen (als Interviews) in der überschaubaren Zeit von 23 Minuten einen guten Ein- und Überblick zum Thema Sterbehilfe am Beispiel eines konkreten assistierten Suizids einer schwerkranken Frau mittleren Alters. Die Verbindung aus erzähltem Einzelschicksal auf der einen Seite und gesprochenen Positionen für sowie gegen diese Form der Sterbehilfe auf der anderen Seite ist sicher die große Stärke dieses Dokumentarfilms. Der in Spielszenen aufgerollte individuelle Fall von „Frau Fischer“ und ihrem Sohn verhindert, dass die Statements der einzelnen Personen zu abstrakt wirken und sorgt dafür, dass sich alle Aussagen immer wieder auf die alltägliche Realität zurückbeziehen lassen.

Durch die Ausgewogenheit der Beiträge (in Länge und Anzahl) legt der Film sich selbst nicht fest, wenngleich er in den Spielszenen nicht nur den Entschluss, Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen, sondern auch die endgültige Umsetzung dieses Entschlusses zeigt.

Eine gewisse Tendenz, der Selbstbestimmung von Betroffenen unter bestimmten Umständen in der Frage der Sterbehilfe den Vorzug zu geben, ist durch den (fiktionalen) Fall gegeben. Manche Kritikpunkte werden aufgrund der Kürze der Zeit nicht angesprochen: So ist die Tatsache eines „Sterbehilfe- Tourismus“ (z.B. in die Schweiz) kritisch zu hinterfragen, zumal die dargestellten Szenen mit Frau Fischer nahezu konfliktfrei wirken.

Mit der Dokumentation STERBEHILFE liegt ein zeitlich und inhaltlich kompakter, in der Darstellung der Positionen ausgewogener und sprachlich gut rezipierbarer Beitrag zum Titelthema vor. Die Sequenzen mit den Pro- und Contra- Statements lassen sich einzeln anwählen und sind im Begleittext gut aufbereitet.

Die Literatur zum Thema

„Sterbehilfe“ ist kaum noch zu überschauen, daher sei hier auf online verfügbare Dokumente verwiesen, die wiederum Literatur- hinweise enthalten:

Positionen der katholischen und der evangelischen Kirche zum Thema Sterbehilfe: www.dbk.de/themen/sterben-in- wuerde

Der Deutsche Ethikrat zu Sterbebegleitung/Suizidprävention: www.ethikrat.org/themen/gesellschaft-und-recht/ sterbebegleitungsuizidpraevention/

Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung (2011) www.bundesaerztekammer.de/ fileadmin/user_upload/ downloads/ Sterbebegleitung_17022011.pdf

Die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin zum Thema Sterbehilfe: www.dgpalliativmedizin.de/ category/177-pressemitteilungen- 2020.html

Arbeitshilfe online verfügbar unter media.fwu.de/ beihefte/55/110/5511056.pdf

Quellenangaben
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Sterbehilfe im Film

Lesezeit:
20 min.
Vorstellung ausgewählter Beispiele

Einige Filme sollen eingehender betrachtet werden, um die genannten Schwerpunkt-Aspekte auszudifferenzieren, sowie nach Möglichkeiten der Arbeit mit diesen Filmen zu fragen. Im Mittelpunkt aller ausgewählten, nachfolgend betrachteten Filme steht die Frage nach dem menschenwürdigen Sterben. Diese Frage ist eng verbunden mit einer Bewertung des Problems des „assistierten Suizids“. Eine unheilbare Krankheit oder eine starke Einschränkung der Lebensqualität , kann als Grund gesehen werden, das Leben vorzeitig zu beenden.

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, hat durch die Feststellung, der § 217 StGB sei in dieser Form nicht verfassungsgemäß, den Weg für eine neue, eventuell liberalere Regelung frei gemacht. Mit Ausnahme des Kurzfilm- beispiels liegt daher der themati- sche Schwerpunkt im Folgenden auf dem Aspekt der Sterbehilfe durch assistierten Suizid. Einige Filme thematisieren die bereits in den deutschen Nachbarländern Niederlanden, Belgien oder der Schweiz bestehenden Möglichkeiten der organisierten Sterbehilfe.

Kurzfilmbeispiel

ERLÖSUNG (MP)

Kurzspielfilm - Eduardo Chapero- Jackson - Spanien 2007 Laufzeit: 16 Minuten Empfohlen: ab 16 Jahren - Lehrprogramm gemäß § 14 JuSchG DVD Verleihnummer: 4701011

Eine Familie versammelt sich am Sterbebett der Mutter. Im Angesicht des herannahenden Todes geht jedes der erwachsenen Kinder anders mit der Angst vor dem Verlust um: Der älteste Bruder, ein Mediziner, hofft, die Medikamente könnten ein Wunder bewirken; die jüngere Schwester möchte die Tatsachen verdrängen. Schließlich ist die Schwiegertochter diejenige, die, geleitet von Mitgefühl für die leidende Frau, dieser liebevoll auf den letzten Weg helfen kann. (Text MP*) *MP = Medienportal www.medienzentralen.de

Im Kurzfilmbeispiel ERLÖSUNG steht nicht der „assistierte Suizid“, sondern das Sterbenlassen, im weitesten Sinne die „passive Sterbehilfe“, verdeutlicht an einem individuellen Schicksal im Mittelpunkt. Der Film ist ein empfehlenswerter Einstieg in die Thematik.

Der natürliche Sterbeprozess ist nicht frei von der Frage nach einem menschenwürdigen Sterben und wirft zudem Fragen nach der angemessenen Form der Sterbebegleitung und der medizinischen Versorgung auf. Während in ERLÖ- SUNG die leiblichen Kinder der sterbenden Mutter jede nur erdenkliche medizinische Hilfe zukommen lassen wollen und Schwierigkeiten damit haben, endgültig Abschied zu nehmen, entschließt sich die Schwiegertochter, die künstliche Beatmung zu entfernen und der mit dem Tod ringenden Frau auf diese Weise das Sterben zu ermöglichen.

Die Verhaltensweisen aller im Kurzfilm dargestellten Personen lassen sich nicht einfach nach dem Schema richtig oder falsch einordnen, sondern sind nur aus den emotionalen Bindungen und den je individuellen Möglichkeiten, den richtigen Zeitpunkt für eine Handlung oder Unterlassung zu wählen, zu verstehen.

In der Arbeitshilfe zum Film, herausgegeben vom Katholischen Filmwerk (kfw) weist der Autor Franz Günther Weyrich auf die Mehrdeutigkeit des Originaltitels ALUMBRAMIENTO hin, der im Spanischen sowohl „Beleuchtung“, also „hell werden“, wie auch „ins Licht/ins Leben kommen“ heißen kann. Der Titel deutet darauf hin, dass nicht nur die Sterbende in einen Prozess eingebunden ist, sondern auch die Angehörigen durchlaufen eine Entwicklung, auf je individuelle Art und Weise. Es lohnt sich zu beobachten, welche Haltungen die einzelnen Figuren repräsentieren und inwiefern die Figuren bzw. die Haltungen im Laufe des Films eine Entwicklung durchlaufen. In diesem Zusammenhang ist auch der Begriff der Würde bzw. des Sterbens in Würde zu thematisieren.

Spielfilmbeispiele

GOTT (MP)

Spielfilm - Lars Kraume - Deutschland 2020; 90 Minuten;mEmpfohlen: ab 14 Jahren - FSK ab 12 freigegeben; DVD Verleihnummer: 4801534

Der Fernsehfilm basiert auf dem gleichnamigen Theaterstück „GOTT“ von Ferdinand von Schirach. In einem fiktionalen Ethikrat wird über die Fragen „Wem gehört unser Leben? Und wer entscheidet über unseren Tod?“ diskutiert. Es geht um den Fall eines 78- jährigen, kerngesunden Mannes, der sein Leben durch ein Medikament und mit Hilfe seiner Ärztin beenden will. Gemeinsam mit einem Anwalt vertritt er seine Interessen während einer Ethikrat-Sitzung.Weiterhin argumentieren eine Mitarbeiterin des Ethikrates, ein hochrangiger Ärztevertreter sowie ein katholischer Bischof contra Suizidassistenz. Eine Hausärztin sowie eine rechtliche Sachverständige werden gehört. (Text MP) Neben dem Film sind Lernmaterialien und Arbeitshilfen verfügbar und deren Nutzung empfohlen.

Der Fernsehfilm GOTT bietet durch die Inszenierung einer fiktionalen Sitzung des deutschen Ethikrates die Möglichkeit, verschiedene Positionen durch Sachverständige darzubieten, auch die betroffene, sterbewillige Person („Herr Gärtner") erhält die Gelegenheit, die eigene Position zu vertreten und anschließend durch einen Anwalt („Biegler“) weiter in die Diskussion eingreifen zu können. Die Dramaturgie (Auftreten von Sachverständigen als "Zeugen", Anwälte als "Verteidiger" und "Ankläger" und einer Vorsitzenden) lässt die Sitzung als Gerichtsverhandlung erscheinen, auch wenn immer wieder betont wird, dass es sich nicht um eine solche handle. Insbesondere Lars Eidinger als Rechtsanwalt Biegler bekommt (wortwörtlich) viel Spielraum, um seine Ansichten und Analysen vorzutragen und bedrängt die Sach- verständigen (insbesondere den Vertreter der Bundesärztekammer und den kath. Bischof) in Form eines Kreuzverhörs. Die Darstellung ist durch diese Art der Inszenierung nur scheinbar objektiv und verfolgt dramaturgisch die Tendenz, das Selbstbestimmungsrecht des Sterbewilligen über alle anderen Werte zu stellen. Diese Tendenz wird noch dadurch verstärkt, dass die Stellungnahmen der Sachverständigen zwar der Realität entnommen, in ihren Argumentationen aber stark verkürzt wiedergegeben werden.

Die Komplexität der Frage nach assistiertem Suizid wird nur gestreift und zwischenzeitlich auch ganz verlassen. Zuletzt spitzt Anwalt Biegler die "Verhandlung" auf die Frage zu "Wem gehört unser Leben?" (auf die Herrschaft über das Leben verweist auch der provokante Titel „Gott“), obwohl dies nicht die anfangs diskutierte Frage ist.

Diskutiert wurde im Ethiktrat, ob es ein Recht auf Assistenz beim Suizid gibt und wer diese Assistenz leisten darf. Auch in den Ländern, in denen Sterbehilfe in Form des assistierten Suizids gesetzlich positiv geregelt ist, (z.B. Niederlande, Belgien, Schweiz) sind ja Bedingungen an diese Form der Selbsttötung geknüpft, und ein kerngesunder Mensch wie Herr Gärtner erfüllt diese Bedingungen nicht.

Um es noch einmal einfacher zu sagen: Dass Herrn Gärtner sein Leben gehört und er jederzeit sich selbst töten könnte, steht gar nicht zur Diskussion, sondern diskutiert wird, ob und unter welchen Bedingungen andere Menschen Herrn Gärtner dabei helfen dürfen, sich selbst zu töten. Dazu gehört z.B auch die Verfügbarkeit entsprechender (tödlicher) Medikamente, wie sie von Sterbehilfeorganisationen verwendet werden.

DAS MEER IN MIR (MP)

Spielfilm - Alejandro Amenábar - Spanien 2004 Laufzeit: 126 Minuten Empfohlen: ab 14 Jahren - FSK ab 12 freigegeben; DVD Verleihnummer: 4800174

Seit einem Badeunfall ist Ramon vom Kopf ab vollständig gelähmt. Er liegt nahezu bewegungslos in seinem Bett und hängt von der Für- sorge seiner Familie ab. Es wächst der Wunsch in ihm, dem Leben ein Ende zu setzen. Der Film beruht auf der erschütternden Lebensgeschichte von Ramón Sampedro und seinem langen Kampf um einen menschenwürdigen Tod. 25 Jahre lang versuchte er vergeblich, eine Sterbehilfe für ihn bei Gericht durchzusetzen. Ramon nahm sich mit Hilfe einer Freundin das Leben. Obwohl der Regisseur dafür plädiert, dass es jedem Menschen zu- steht, über sein Leben und seinen Tod frei zu entscheiden, formuliert der Film ernsthafte Gegenpositionen zur Euthanasie. (Text MP). Der Bezug von DAS MEER IN MIR auf den tatsächlichen Einzelfall des galizischen Seemanns Ramó Sampedro (1943–1998), der als Querschnittgelähmter mehr als zwei Jahrzehnte vor Gericht die aktive Sterbehilfe zu erstreiten suchte, ist Vorteil und Nachteil zugleich.

Vorteilhaft ist, dass reale Personen zu sehen sind und die Umstände des Sterbewilligen nicht fiktional konstruiert, sondern der Realität entnommen wurden. Nachteilig wirkt sich der Realitätsbezug aus, wenn bestimmte Aspekte nicht behandelt werden, die für eine gesetzliche Regelung gleichwohl von Bedeutung sind, z.B. die freie Willensbekundung (die bei Sampedro niemals fraglich war), das Vorliegen unerträglichen Leidens (was bei Sampedro bestenfalls psychisch angenommen werden kann) oder der nahe bevorstehende Tod (was bei Sampedro definitiv nicht der Fall war).

Die Realität bringt es auch mit sich, dass keine klare Unterscheidung zwischen aktiver Sterbehilfe und assistiertem Suizid in Sampedros Fall möglich ist. Durch seine vollständige Lähmung war Ramón Sampedro auf Hilfe von Dritten beim Sterben angewiesen. Durch die über Jahre auch öffentlich vorgetragene Willensäußerung, Sterben zu wollen, und die Entschei- dung, die tödliche Giftmischung schließlich zu trinken, liegen alle Voraussetzungen für eine Einstufung als assistierter Suizid vor.

Gleichwohl ist die einzige „Tat“ Sampedros das Trinken der Giftmischung. Verschiedene Personen besorgten das notwendige Gift, mischten es zu einem Getränk und stellten es Sampedro mit Hilfe eines Strohhalms zum Trinken zur Verfügung. Ohne diese vorausgehenden Handlungen dritter Personen hätte Ramón Sampedro nicht sterben können, weil er körperlich dazu nicht in der Lage war.

Die Realität erweist sich in Bezug auf den Charakter und die Wirkung von Ramón Sampedro wiederum als Glücksfall. Denn Ramón wird als sehr charmanter und humorvoller Mensch dargestellt, der zwar unbeweglich ist, aber ansonsten nicht unter Schmerzen zu leiden hat. Die Menschen um ihn herum, allen voran seine Schwägerin Manuela, pflegen und kümmern sich um ihn mit großer Liebe. Er genießt die mediale Öffentlichkeit, seine Intelligenz wirkt auf viele Menschen anziehend und er feiert Erfolge als Buchautor mit dem Buch „Cartas desde el infierno“ (Briefe aus der Hölle), dessen Texte er mit dem Mund geschrieben hat.

DAS MEER IN MIR ist kein düsterer, deprimierender Film, sondern mit viel Humor und Lebensfreude wird das Porträt eines Mannes gezeichnet, der trotz zahlreicher positiver Erfahrungen seine Situation als nicht mehr lebenswert empfindet. In seinen Aussagen kommt zum Ausdruck, dass Ramón einen hohen Anspruch an Freiheit, Selbstbestimmung und Verwirklichung persönlichen Glücks hat.

Diesem Anspruch wird er in seinen eigenen Augen nicht gerecht. Seine direkten Angehörigen unterstützen seinen Sterbewunsch nicht, respektieren diesen aber – mit Ausnahme seines älteren Bruders José. Peter Hasenberg schreibt in der Arbeitshilfe des katholischen Filmwerks: „Die Kritik hat immer wieder hervorgehoben, dass die besondere Qualität des Films gerade darin liegt, dass er über den Tod spricht und gleichzeitig für das Leben plädiert."

Sicherlich ist DAS MEER IN MIR kein eindeutiges Plädoyer für (aktive) Sterbehilfe, aber den Zu- schauern fällt es leicht, Sympathie für den charismatischen Ramón zu empfinden und – zumindest emotional – seinen Standpunkt deshalb zu teilen. Zugleich feiert DAS MEER IN MIR die Vielfalt und Schönheit des Lebens und des menschlichen Miteinanders. Gerade auch dieser Aspekt macht den Film sehenswert.

kfw-Arbeitshilfe: www.materialserver.filmwerk.de/arbeitshilfen/dasmeerinmir_ah.pdf

ARTHUR & CLAIRE (MP)

Spielfilm - Miguel Alexandre - Deutschland 2017 Laufzeit: 95 Minuten Empfohlen: ab 14 Jahren FSK ab 12 freigegeben; DVD Verleihnummer: 4801423

Nach dem gleichnamigen Theaterstück von Stefan Vögel. ARTHUR & CLAIRE erzählt die Geschichte von zwei Menschen die mit der Absicht sich selbst zu töten nach Amsterdam gekommen sind. Beide haben ihre guten Gründe für ihren Suizid. Arthur will es, ganz legal, bei einem befreundetet Arzt in einem Krankenhaus tun. Claire hat sich Tabletten besorgt und will sich in der Badewanne die Pulsadern aufschneiden. Arthur verhindert die Selbsttötung von Claire. Beide Lebensmüden bilden eine Schicksalsgemeinschaft und verbringen eine Nacht zwischen Grachten, Coffee Shops und mit bestem Whiskey, um sich am nächsten Tag neu dem Leben zu stellen. (Text MP)

In ARTHUR & CLAIRE wird zum einen Sterbehilfe bzw. die Möglichkeit des assistierten Suizids thematisiert, zum anderen kreist der Großteil der Filmhandlung aber um die Frage nach dem Wert des Lebens und der Bedeutung von Beziehungen. Da es sich vom Genre her eher um eine Komödie mit dramatischen Anteilen handelt, ist die Geschichte sehr gut rezipierbar, hat aber, was die Tiefe der Auseinandersetzung mit den genannten Aspekten betrifft, auch schnell Grenzen erreicht. Zwar ist die Ausgangslage brisant – zwei Menschen suchen aus unterschiedlichen Gründen und auf verschiedene Art und Weise den Tod – aber der Verlauf der geschilderten Nacht ist dann eher harmlos, wenngleich sehr unterhaltsam erzählt.

ARTHUR & CLAIRE eignet sich als Beitrag, um dem Thema Tod, Sterben und Sterbehilfe die Schwere und (scheinbare) Ausweglosigkeit zu nehmen. Für eine Auseinandersetzung pro und contra Sterbehilfe oder eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem assistierten Suizid bietet der Film zu wenig Stoff. Die Qualität liegt auf dem Zugang zu Lebensperspektiven, die in größerer Vielfalt angesprochen werden.

Ein anderer Effekt ist der Abbau von Vorurteilen – ebenso wie bei Arthur und Claire selbst.

Eine Filmkritik: www.epd-film.de/ filmkritiken/arthur-claire

UND MORGEN MITTAG BIN ICH TOT (MP)

Spielfilm - Frederik Steiner - Deutschland 2013; Laufzeit: 102 Minuten; Empfohlen: ab 14 Jahren - FSK ab 12 freigegeben; DVD Verleihnummer: 4800938

Die 20-jährige Lea hat sich auf den Weg nach Zürich gemacht, um dort an ihrem Geburtstag zu sterben. Denn die unheilbare Mukoviszidose, unter der sie leidet, ist so weit fortgeschritten, dass ihr kein Arzt mehr helfen kann. Ihre Mutter, die bereits ihren Sohn an die Stoffwechselkrankheit verloren hat, wird von Leas Entschluss ebenso überrascht wie Leas Schwester Rita. Natürlich setzt sie alles daran, Lea umzustimmen, doch die ist ein Sturkopf und hat sich ihren Schritt sorgfältig überlegt. Auch die neue Bekanntschaft mit dem psychisch labilen Moritz, der ebenfalls gern sterben würde, oder der Besuch von Heiner, ihrer ersten Liebe, könne Lea nicht von ihrem Plan abbringen. Ein letztes Mal möchte sie im Kreis ihrer Lieben schön essen, von denen sie sich nur eines wünscht: Verständnis und Begleitung. (Text MP)

In UND MORGEN MITTAG BIN ICH TOT steht nicht nur Sterbehilfe in Form des „assistierten Suizids“ im Mittelpunkt, sondern die Hauptfigur ist eine junge Frau Anfang zwanzig. Ihre schlechte Prognose in Bezug auf die unheilbare Krankheit Mukoviszidose und die Erinnerung an die Art und Weise des Todes ihres wenig älteren Bruders, der an der gleichen Krankheit litt, haben Lea den einsamen Entschluss fassen lassen, sich mit einer Sterbehilfeorganisation in der Schweiz in Verbindung zu setzen. Hilfe bei der Durchführung des Vorhabens erhält Lea von ihrer Großmutter. Die Mutter und die Schwester von Lea werden hingegen von dem Entschluss überrascht, als Lea bereits in der Schweiz ist.

Durch diese Konstellation wird das Thema Sterbehilfe mitten in das Leben auch junger Menschen geholt. Sterben ist nicht nur eine Sache des Alters, sondern kennt viele Phasen und Zeitpunkte. Lea ist in ihrer (makaber) humorvollen und herzlichen Art auch als Charakter eine gute Identifikationsfigur für junge Menschen.

Ihr Sterbewunsch wird gespiegelt in der Figur des Moritz, eines aufgrund des Selbstmords seiner Mutter depressiven jungen Mannes, dem Lea in der Schweiz zufällig begegnet. Während sich für Moritz noch Wege aus dem Todeswunsch heraus zurück ins Leben eröffnen, erscheinen diese Wege für Lea verschlossen, zumal ihre medizinische Prognose ihr noch maximal einige Monate Lebenszeit zugesteht. Sicherlich ist in diesem Zusammenhang Leas bereits viel früher getroffene Entscheidung, sich nicht für eine Lungentransplantation auf eine Warteliste setzen zu lassen, noch einmal eigens zu betrachten. An dieser Entscheidung wird deutlich, dass die Auseinandersetzung mit Tod und Sterben sicher nicht punktuell, sondern langfristig erfolgt.

Das Drehbuch von UND MORGEN MITTAG BIN ICH TOT wirkt gegen Ende etwas konstruiert, da jede Figur eine eigene Funktion erhält:

Die abgeklärte Großmutter, die vorbehaltlos unterstützt; die pragmatische Schwester Rita, die zwar wütend, aber auch solidarisch ist; die Mutter Hannah, die aus Liebe und Lebenswillen nicht loslassen möchte und noch trauert; der Freund Heiner, der die Vernunft repräsentiert;

der depressive Moritz, der zeigt, dass nicht jeder, der sterben will, auch sterben muss und Hilfe auch dem Leben dienen sollte. Diese „Funktionalität“ der Figuren steht einer emotionalen Beteiligung der Zuschauenden aber nicht entgegen, da alle Darsteller, insbesondere die junge Hauptdarstellerin hervorragend spielen und den Widerstreit aus Trauer, Liebe und gegenseitiger Solidarität spürbar werden lassen.

UND MORGEN MITTAG BIN ICH TOT eignet sich sehr gut, einen emotionalen Zugang zum Thema Sterbehilfe bzw. assistiertem Suizid als einen Vorgang mitten im Leben zu erhalten. Das hohe Identifikationspotenzial mit den zentralen Figuren und ihren Haltungen sowie ein Drama, das stets Humor und positive Momente bereithält, bieten hervorragende Ansätze zur Auseinandersetzung mit dem schwierigen Thema, gerade auch für jüngere Menschen.

Dokumentarfilmbeispiel

STERBEHILFE

Dokumentarfilm - Steve Döschner / Michael Fiebrig / Franziska Ange- rer - Deutschland 2013; Laufzeit: 23 Minuten; Empfohlen: ab 16 Jahren - Lehrpro- gramm gemäß § 14 JuSchG; DVD Verleihnummer: 4701736

Der Film behandelt das Thema 'Sterbehilfe' am Beispiel einer Frau, deren Krankheit als tödlich diagnostiziert wurde. Sie hat sich deshalb entschlossen, von der Möglichkeit eines begleiteten Suizids Gebrauch zu machen, wie er von Organisationen in der Schweiz angeboten wird. Der Gang der Überlegungen, die diese Frau anstellt und konsequent bis zur Ausführung durchsetzt, wechselt sich im Film mit Interview-Blöcken ab. Befürwor- ter organisierter Sterbehilfe sowie Gegner beziehen Stellung. (Text MP)

Der Dokumentarfilm STERBEHILFE bietet in der kompakten Form aus Einzelfallschicksal (in Spielszenen) und inhaltlichen Beiträgen (als Interviews) in der überschaubaren Zeit von 23 Minuten einen guten Ein- und Überblick zum Thema Sterbehilfe am Beispiel eines konkreten assistierten Suizids einer schwerkranken Frau mittleren Alters. Die Verbindung aus erzähltem Einzelschicksal auf der einen Seite und gesprochenen Positionen für sowie gegen diese Form der Sterbehilfe auf der anderen Seite ist sicher die große Stärke dieses Dokumentarfilms. Der in Spielszenen aufgerollte individuelle Fall von „Frau Fischer“ und ihrem Sohn verhindert, dass die Statements der einzelnen Personen zu abstrakt wirken und sorgt dafür, dass sich alle Aussagen immer wieder auf die alltägliche Realität zurückbeziehen lassen.

Durch die Ausgewogenheit der Beiträge (in Länge und Anzahl) legt der Film sich selbst nicht fest, wenngleich er in den Spielszenen nicht nur den Entschluss, Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen, sondern auch die endgültige Umsetzung dieses Entschlusses zeigt.

Eine gewisse Tendenz, der Selbstbestimmung von Betroffenen unter bestimmten Umständen in der Frage der Sterbehilfe den Vorzug zu geben, ist durch den (fiktionalen) Fall gegeben. Manche Kritikpunkte werden aufgrund der Kürze der Zeit nicht angesprochen: So ist die Tatsache eines „Sterbehilfe- Tourismus“ (z.B. in die Schweiz) kritisch zu hinterfragen, zumal die dargestellten Szenen mit Frau Fischer nahezu konfliktfrei wirken.

Mit der Dokumentation STERBEHILFE liegt ein zeitlich und inhaltlich kompakter, in der Darstellung der Positionen ausgewogener und sprachlich gut rezipierbarer Beitrag zum Titelthema vor. Die Sequenzen mit den Pro- und Contra- Statements lassen sich einzeln anwählen und sind im Begleittext gut aufbereitet.

Die Literatur zum Thema

„Sterbehilfe“ ist kaum noch zu überschauen, daher sei hier auf online verfügbare Dokumente verwiesen, die wiederum Literatur- hinweise enthalten:

Positionen der katholischen und der evangelischen Kirche zum Thema Sterbehilfe: www.dbk.de/themen/sterben-in- wuerde

Der Deutsche Ethikrat zu Sterbebegleitung/Suizidprävention: www.ethikrat.org/themen/gesellschaft-und-recht/ sterbebegleitungsuizidpraevention/

Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung (2011) www.bundesaerztekammer.de/ fileadmin/user_upload/ downloads/ Sterbebegleitung_17022011.pdf

Die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin zum Thema Sterbehilfe: www.dgpalliativmedizin.de/ category/177-pressemitteilungen- 2020.html

Arbeitshilfe online verfügbar unter media.fwu.de/ beihefte/55/110/5511056.pdf

Quellenangaben
Hintergrund schwarz - MySpring
Icon Plus - MySpring

Weitere Publikationen